Kurz vor den Bundestagswahlen in Deutschland beziehen Unternehmen politisch Stellung gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt. In den vergangenen Wochen haben die Chefs von der Deutschen Bank, Mercedes-Benz, Siemens und Co. ihre Haltung gezeigt.
"Fremdenfeindlichkeit, Hass, Antisemitismus jeder Art und Extremismus stehen im klaren Widerspruch zu den Werten von Mercedes-Benz", erklärte Eckart von Klaeden der DW, Leiter von External Affairs bei Mercedes-Benz.
Manche Verbände und Unternehmen wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) oder der "Bönniger Gerüstbau" in Dortmund haben sich sogar explizit gegen die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) ausgesprochen.
Während es in anderen Ländern durchaus üblich ist, dass sich Unternehmen parteipolitisch äußern, vielleicht sogar Wahlempfehlungen geben, ist das in Deutschland nicht so.
"Unternehmen waren parteipolitisch in Deutschland traditionell enthaltsam, und Verbände weitestgehend auch", erklärt Knut Bergmann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) der DW. Er sagt, dass Unternehmen sich zum Teil explizit für Parteien, wie in mehreren Anzeigenkampagnen geschehen, oder gegen eine Partei, die AfD, aussprechen, habe es so in Deutschland noch nicht gegeben. Bergmann hat im letzten Jahr eine Unternehmensbefragung zur AfD durchgeführt.
Wendepunkt durch AfD-Erfolg
Geändert hat sich die eher neutrale Haltung der Unternehmen und Verbände in Deutschland durch das Erstarken der AfD. Insbesondere die Veröffentlichung des Mediennetzwerks Correctiv über das "Potsdamer Geheimtreffen" Anfang 2024 zur sogenannten "Remigration" stellte einen Wendepunkt dar. Hier diskutierten Rechtsextreme darüber Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund zwangsauszuweisen.
Vor den Europawahlen und Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ergriffen zahlreiche Unternehmen das Wort. Bosch, Mercedes-Benz, Bayer und mehr als 30 weitere Unternehmen gründeten die Allianz "Wir stehen für Werte", um sich öffentlich gegen Extremismus und für Respekt, Toleranz, Offenheit und Vielfalt auszusprechen. Mehr als 80 Familienunternehmen engagierten sich in der Kampagne "Made in Germany - Made by Vielfalt".
Keine Einzelfälle
Der Unternehmer Reinhold Würth, der Weltmarktführer mit seinem Schraubenunternehmen ist, schrieb sogar vor der Europawahl einen Brief an seine 25.000 Mitarbeitenden und warnte davor die AfD zu wählen.
Die Supermarktkette Edeka veröffentlichte eine Anzeige mit der Aufschrift "Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht" (Blau ist die Parteifarbe der AfD). In der Anzeige sind zahlreiche Obst- und Gemüsesorten wie Gurken, Brokkoli, Bananen, Kirschen und Erdbeeren abgebildet, aber keine blauen Lebensmittel. Dazu der Text: "Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl".
Das sind keine Einzelfälle: Bergmanns IW-Umfrage hat 2024 mehr als 900 Unternehmen befragt: Jedes zweite westdeutsche und jedes vierte ostdeutsche Unternehmen gab an, sich öffentlich gegen die AfD positioniert zu haben.
Die AfD ist besonders erfolgreich im Osten Deutschlands, in den ehemaligen DDR-Gebieten, die vor den 1990er-Jahren zum kommunistischen Lager gehörten.
AfD hat "keine Anworten"
Aber warum äußern sich Unternehmen plötzlich politisch? Vermutlich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, sagt Professor Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), "Unternehmen fürchten Standortnachteile und den Rückgang von Investitionen."
Eine Sprecherin der Commerzbank sagte der DW bei der öffentlichen Positionierung gingen wirtschaftliche Gründe und Werte Hand in Hand. "Angst, Protektionismus und Spaltung sind aus unserer Sicht keine Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit", der Wirtschaftsstandort Deutschland brauche hingegen gezielte Zuwanderung von Fachkräften.
Mercedes-Chef Ola Källenius teilte der DW mit, Wirtschaftliche Prosperität sei die Grundlage für Wohlstand, Stabilität und Sicherheit. "Gleichzeitig kann man nur dauerhaft wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn man einen gemeinsamen Wertekanon hat.“
Der Mercedes-Chef kritisierte zuvor öffentlich, dass in der aktuellen Debatte Themen vermischt werden: "Illegale Immigration ist nicht das gleiche, wie Fachkräfte für das Land zu gewinnen. Wir brauchen für Wachstum die besten Köpfe." Dabei heiße "vorwärts bei der Wirtschaft nicht, rückwärts mit den Werten", betonte der Mercedes-Chef.
Sorge um EU und Euro
Zudem sehen 77 Prozent der Unternehmenslenker in Deutschland im AfD-Erstarken ein Risiko "für den Bestand der Europäischen Union und des Euros". Das zeigte ein IW-Gutachten, das die Konsequenzen des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien untersucht hat.
Die Förderbank KfW äußert sich zwar nicht parteipolitisch, der Vorstandsvorsitzende Stefan Wintels sagt aber der DW: "Wir glauben fest daran, dass die Zukunft nicht allein in Deutschland, sondern für Deutschland in Europa liegt." Abschottung und Fremdenfeindlichkeit würden nicht nur der Wirtschaft schaden, sondern der Gesellschaft insgesamt. Die KfW beteiligt sich mit 14 weiteren Unterzeichnern - darunter die Deutsche Bank, ING und Frankfurter Sparkasse - bei einem gemeinsamen Aufruf zur Wahl. Sie sprechen sich für die Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ein starkes, tolerantes und weltoffenes Land aus.
US-Unternehmen nähern sich Trump an
In den USA rücken Unternehmen immer näher an den Präsidenten Donald Trump heran. US-Konzerne wie Meta und McDonalds haben Maßnahmen zu Chancengleichheit und Diversität zurückgefahren. Könnte das hier in Deutschland auch passieren?
"Das ist natürlich sehr spekulativ und schwierig zu sagen, aber ich denke, hier in Deutschland brennt das Migrationsthema zu sehr unter den Nägeln", erklärt DIW-Wissenschaftler Kritikos. Die Unternehmen bräuchten dringend Fachkräfte aus dem Ausland, so der Wissenschaftler.
Die DW fragte die Commerzbank, ob sie versprechen könne, dass sie sich nicht der AfD annähern würde, selbst wenn diese einmal Regierungsverantwortung übernehme. Die Commerzbank ließ die Frage unkommentiert.
Mercedes-Benz teilte der DW mit, sie möchten nicht über eine Regierungsbeteiligung einzelner Parteien spekulieren. Allerdings betonen sie ihre Werte seien heute und bleiben auch in Zukunft Grundlage ihres wirtschaftlichen Erfolgs. "Diese werden wir vertreten - auch gegenüber der zukünftigen Bundesregierung."