Der Auftrag: eine Küche für einen Raum – 3,44 m lang, 1,96 m breit – mit großem Fenster und Glasschiebetüren. Das Konzept: Die Schränke gehen vom Boden bis zur Decke, es gibt eine Arbeitsplatte und eine Spüle mit Abtropfgitter. Heute ist eine Einbauküche dieser Art Standard in den meisten Wohnungen und Häusern. Doch vor knapp 100 Jahren war die Idee völlig neu. Ihre Erfinderin war die Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky, eine der ersten Architektinnen überhaupt.
Als junge Frau erhielt sie den Auftrag von Ernst May, dem Baudezernenten der Stadt Frankfurt am Main. May ließ Neubausiedlungen bauen, um die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg zu bekämpfen. In den neuen Wohnungen sollte es eine Küche geben, die nur wenig Platz braucht und den Alltag der Menschen verbessert. 1926 stellte Schütte-Lihotzky ihr Konzept vor, das als „Frankfurter Küche“ berühmt wurde.
Schnell wurde die neue Küche in großer Zahl gebaut, denn durch die festen Maße konnte man ihre Einzelteile industriell herstellen. Auch im Ausland war sie sehr erfolgreich: Für den französischen Arbeitsminister soll sie 260.000-mal gebaut worden sein. Schütte-Lihotzky war es wichtig, dass die „Frankfurter Küche“ Frauen bei ihrer Hausarbeit entlastete. May warb dafür mit den Worten „von einer Frau für Frauen gebaut“. Das Konzept sorgte allerdings auch für Kritik: Frauen würden so nur noch mehr an den Herd gebunden, hieß es.
Diese Kritik wird der Erfinderin aber wohl nicht gerecht: Margarete Schütte-Lihotzky war nicht nur Architektin, sondern auch politisch engagiert: Als Kommunistin kämpfte sie gegen die Nationalsozialisten und wurde von ihnen verhaftet. Ihr ganzes Leben lang setzte sie sich für Frieden und die Rechte von Frauen ein, bis sie im Jahr 2000 mit über 100 Jahren in ihrer Heimatstadt Wien starb. In einem späten Interview sagte sie einmal: „Hätte ich gewusst, dass ich ein Leben lang über diese verdammte Küche reden muss, dann hätte ich sie nie gebaut!"