Eine neue Langzeitstudie, veröffentlicht im Fachjournal „Child Development“, zeigt, dass die Fähigkeit zur Empathie über Generationen weitergegeben werden kann. Das Forschungsteam der University of Virginia fand heraus, dass Mütter einen entscheidenden Einfluss auf das empathische Verhalten ihrer Kinder haben, welches sich über deren Freundschaften in der Jugend und schließlich in deren eigene Elternschaft fortsetzt.
„Um empathische Kinder zu erziehen, ist es wichtig, ihnen direkte Erfahrungen zu geben, wie man Unterstützung und Verständnis erhält, und ihnen Möglichkeiten zu bieten, diese Fähigkeiten mit Gleichaltrigen zu verfeinern“, erklärt Erstautorin Jessica Stern. Die Studie zeigt, dass die Adoleszenz eine kritische Phase für die Entwicklung sozialer Fähigkeiten ist. Hier werden die im Familienumfeld erlernten Empathiemuster durch enge Freundschaften weiterentwickelt.
Das Forschungsteam begleitete seit 1998 über 180 Teilnehmer von der Jugend bis ins Erwachsenenalter. Die Teilnehmer, damals etwa 13 Jahre alt, wurden dabei beobachtet, wie sie Probleme mit ihren Müttern besprachen. In den folgenden Jahren wurden ihre Interaktionen mit Gleichaltrigen und später mit ihren eigenen Kindern analysiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Empathie der Mütter gegenüber ihren Teenagern während der Studienjahre die empathische Fähigkeit der Jugendlichen im Umgang mit Freunden vorhersagte. Bei jenen, die später selbst Eltern wurden, sagte die Unterstützung, die sie ihren Freunden boten, ein unterstützendes Elternverhalten voraus, was wiederum eine größere Empathie in der nächsten Generation zur Folge hatte.
Stern betont, dass nicht nur die elterliche Fürsorge, sondern auch die Erfahrungen mit engen Freundschaften während der Jugend eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Empathie spielen. „Unsere Studie zeigt, dass enge Freundschaften ein wichtiges „Trainingsgelände“ für soziale Fähigkeiten darstellen und eine reifere Fürsorge fördern“, so Stern.
Entgegen der häufigen Annahme, dass Jugendliche eher egozentrisch seien, zeigte die Studie, dass die Werte für empathische Fürsorge über die Jahre hinweg leicht anstiegen. Enge Freundschaften bieten eine einzigartige Gelegenheit, empathische Fähigkeiten zu üben, bevor die Herausforderungen der Elternschaft beginnen.
Weitere Forschungen sollen untersuchen, wie weniger empathische Erziehungsmuster durchbrochen werden können und welche Rolle Väter und andere Bezugspersonen spielen. Es wird auch geprüft, inwieweit genetische Faktoren die Weitergabe von Empathie beeinflussen.
„Man kann sich seine Familien nicht aussuchen, aber seine Freunde schon. Daher könnte das Fördern von empathischen Freundschaften in der Jugend langfristig positive Effekte auf die nächste Generation haben“, schlussfolgert Stern.