Mit einer jährlichen Auftragssumme in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages in Euro ist Huione Guarantee einer der größten Online-Marktplätze im südostasiatischen Kambodscha. Allerdings ist der Markt für "virtuelle digitale Finanzprodukte" auch als "größter Schwarzmarkt aller Zeiten" bekannt. Die Online-Händler auf der Plattform bieten Technologie-, Daten- und Geldwäschedienste an und werden über diese bezahlt.
Letzte Woche verlor Huione Pay, der Zahldienstleister, die Lizenz für diesen Geldverkehr. Damit darf keine Zahlung mehr über die Plattform abgewickelt werden. Huione Pay habe die "bestehende Vorschriften und Empfehlungen der Aufsichtsbehörden nicht eingehalten", sagte ein Sprecher der National Bank of Cambodia, der Zentralbank Kambodschas.
Hochburg für Cyberbetrug
Huione wird vorgeworfen, gewerbsmäßig Cyberbetrug betrieben zu haben. Das US-Forschungsinstitut United States Institute of Peace (USIP) schätzt den Gesamtschaden auf elf Milliarden Euro pro Jahr. Das ist ein Viertel der Wirtschaftsleistung von Kambodscha.
Westliche Länder und auch China als enger Verbündeter setzen Kambodscha unter Druck, effektiv den Internetbetrug zu bekämpfen. Huione ist aber sehr gut mit der Staatsführung vernetzt. Einer der drei Direktoren von Huione Pay ist Hun To, der Cousin des kambodschanischen Premierministers Hun Manet.
Seit Jahrzehnten steht Hun To unter dem Verdacht, bei den dunklen Machenschaften Geld in die eigene Tasche geschoben zu haben. Über sein politisches Netzwerk verhinderte er auch, dass unabhängige Journalisten über seine Aktivitäten zu berichten.
Allerdings bestreitet die Huione-Gruppe sämtliche Vorwürfe. In einer Erklärung des Konzerns hieß es, dass Huione Pay seine Banklizenz im vergangenen Jahr freiwillig aufgegeben habe und sich derzeit um neue Lizenzen in Japan und möglicherweise in Kanada bewerbe.
"Schaufensterpolitik", sagt eine Quelle aus dem Regierungskreis in Phnom Penh, der Hauptstadt von Kambodscha, die aus Angst vor staatlichen Repressalien um Anonymität bat. Kambodscha verspreche gerne viel und mit großen Gesten, am Ende leiste es aber sehr wenig. Jetzt wolle die Regierung mit den USA wieder gemeinsame Militärübungen durchführen und die Beziehungen zu Washington verbessern. Der Entzug von Lizenz wirke dagegen eher "zahnlos". "Wenn sich der Staub gelegt hat, wird die Regierung möglicherweise andere Alternativen finden, um sich mit ihren Verbündeten zu versöhnen."
Betrug für mehr Wachstum?
"Schweine schlachten" - so wird die Methode der Internetbetrüger bezeichnet. Sie entwickeln virtuelle Beziehungen zu ihren Opfern. Durch eine geschickte Kommunikation wird eine Vertrauensbasis aufgebaut. Dann werden die Opfer um Geld gebeten, für die vermeintliche große Liebe des Lebens oder eben für nicht existierende Investitionsprojekte.
Die US-Entwicklungsbehörde USAID schätzt, dass bis zu 150.000 Menschen, darunter viele Ausländer, gezwungen worden seien, in Kambodschas zahlreichen Betrugszentren zu arbeiten. Bei einer Polizeirazzia im vergangenen Monat wurden in einer Scamfabrik 109 Thailänder, 50 Pakistaner, 48 Inder, fünf Taiwanesen und drei Indonesier befreit.
Die schiere Größe der Branche hat Kambodscha "über einen Kipppunkt hinausgetrieben, da die Betrugswirtschaft bereits die formale, legale Wirtschaft verdrängt hat, was es den politischen Eliten fast unmöglich macht, gegen illegale Aktivitäten vorzugehen", sagt Jason Tower, USIP-Länderdirektor für Myanmar, im DW-Interview. "Es ist auch eine Bedrohung für die globale Sicherheit."
"Eine globale Bedrohung"
Die meisten Betrüger und auch die meisten Opfer sind chinesische Staatsangehörige. Im Januar löste die Entführung des chinesischen Schauspielers Wang Xing über Thailand nach Myanmar große Besorgnis in China aus. Nach politischen Verhandlungen mit Bangkok versprach die thailändische Regierung, die illegale Ein- und Ausreise zu bekämpfen und die Sicherheit der chinesischen Touristen zu gewährleisten. Bangkok droht sogar mit dem Bau einer Grenzmauer zu Kambodscha, um den Zustrom von Menschenhändlern zu unterbinden.
Experten zufolge soll Peking sehr verärgert sein über die Untätigkeit Kambodschas. "China drängt Kambodscha, hart durchzugreifen. Aber Kambodscha zieht es im Allgemeinen vor, politische Kompromisse zu machen, anstatt seine Betrugsindustrie zu opfern", sagt USIP-Experte Tower.
Die Betrüger in Kambodscha haben es nun auch zunehmend auf Menschen aus westlichen Staaten abgesehen. Im vergangenen September schätzte die US-Botschaft in Phnom Penh, dass Amerikaner mindestens 90 Millionen Euro durch Betrügereien mit Ursprung in Kambodscha verloren haben. Manche vermuten, dass die tatsächliche Zahl noch viel höher ist.
Im deutschen Bundesland Bayern warnte Justizminister Georg Eisenreich letztes Jahr ausdrücklich vor dem "Schweineschlachten". Von 2021 bis März 2024 gingen 370 Anzeigen auf etwa 330 Plattformen allein bei den Behörden in Bayern ein. "Der angezeigt Gesamtschaden beläuft sich auf etwa 29 Millionen Euro. Der durchschnittliche finanzielle Schaden liegt bei knapp 80.000 Euro", sagte Eisenreich.
Letztes Jahr verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen Ly Yong Phat, einen kambodschanischen Senator und Millionär, der der kambodschanischen Herrscherfamilie Hun nahe steht. Der 67-Jährige soll in Verbindung mit Menschenhandel, Zwangsarbeit und Betrieb der Scamcenter stehen.
Keine freie Presse
In dem autoritär regierten Land wird die freie Presse unterdrückt. Freie Berichterstattung und Recherchen über die Betrugsfabriken sind nicht möglich. Mech Dara, ein bekannter kambodschanischer Reporter, wurde im vergangenen Oktober unter frei erfundenen Anschuldigungen verhaftet. Er erklärte später, seinen Beruf als Journalist aufzugeben.
"Das jüngste Vorgehen gegen die Huione Group ist bestenfalls oberflächlich", so Jacob Sims, Mitbegründer von Shamrock, einer öffentlich-privaten Koalition zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Internetkriminalität, gegenüber des DW.
"Wenn die Machthaber in Phnom Penh Huione wirklich für seinen unsäglichen Beitrag zu menschlichem Elend und krimineller Masche zur Rechenschaft ziehen möchten, hätten sie alle bekannten Führungskräfte festnehmen müssen, angefangen mit dem Cousin des Premierministers", sagt Sims. "Das war aber eindeutig nicht das Ziel und nichts anderes als Verschleierung krimineller Machenschaften vom Amts wegen."