Emma, 26 Jahre alt, machte im Mai 2020 ihren Abschluss an der Pratt Institute – genau in dem Moment, als Pandemie ausbrach. Weil sie keinen Job fand, begann sie ein Programmierstudium in der Hoffnung, ihre Karriere neu zu starten. Doch als sie sich 2022 bei rund zehn Tech-Firmen bewarb, wurden aufgrund von Massenentlassungen alle Türen geschlossen. „Es war nur ein weiterer Weg in eine Sackgasse“, sagt die junge Frau aus Kalifornien.
Sie nahm schließlich eine Stelle bei einer gemeinnützigen Organisation an – allerdings ohne Bezug zur Programmierung, wodurch ihre Fähigkeiten verkümmerten. Im vergangenen Jahr verschickte sie über 400 Bewerbungen im Bereich Medien, Verwaltung und Service – ohne Erfolg. „Das raubt mir meine Energie und meinen Lebenssinn“, sagt Emma, die mit einem Teilzeitjob nur 700 US-Dollar pro Monat verdient.
Emmas Erfahrung ist kein Einzelfall. Soziologen und Psychologen bezeichnen die Gen Z als die ängstlichste, erschöpfteste und einsamste Generation. Im Weltglücksbericht 2024 wurde sie sogar als „die unglücklichste Generation“ beschrieben. Doch ein Aspekt bleibt oft unerwähnt: Diese Generation erlebt so viele Zurückweisungen wie keine zuvor.
Vor den 1960er-Jahren heirateten die meisten Amerikaner*innen Anfang 20. Heute sind viele fast ein Jahrzehnt lang Single, und Beziehungen beginnen oft über Dating-Apps. Laut Daten der App Hinge aus dem Jahr 2024 wollen 90 % der Gen Z eine Beziehung – aber 44 % haben noch nie gedatet. 56 % sagen, dass ihre Angst vor Zurückweisung sie daran hindert, jemanden kennenzulernen – mehr als bei den Millennials.
Junge Menschen erleben heute mehrere Zurückweisungen pro Woche – etwas, das die Boomer-Generation (Jahrgänge 1946–1964) selten durchmachen musste. Obwohl es mehr Möglichkeiten denn je gibt, sind viele aus der Gen Z in Liebesdingen frustriert. Sie haben Begriffe wie „Ghosting“ (plötzlicher Kontaktabbruch) oder „Situationship“ (unklare Beziehung) erfunden, um Unsicherheiten zu beschreiben. Laut Logan Ury, Beziehungsforscherin bei Hinge, ist die Gen Z vorsichtiger geworden – auch wegen der hohen Erwartungen ihrer Eltern und dem zunehmenden Risikobewusstsein.
Der Psychotherapeut Jeff Guenther erklärt, dass junge Menschen es sich zur Gewohnheit gemacht haben, sich nicht zu binden und einander ohne Erklärung zurückzuweisen. Das vermittelt ihnen kurzfristig Kontrolle – verstärkt aber langfristig ihre Angst vor Ablehnung.
Natalie Buchwald, Leiterin des Manhattan Counseling Centers, warnt davor, dass viele junge Menschen glauben, sie könnten mit Zurückweisung umgehen – obwohl sie in Wirklichkeit den Kontakt zu ihren Gefühlen verlieren. „Das ist keine Resilienz, sondern emotionale Taubheit“, sagt sie.
Technologie beeinflusst nicht nur Dating, sondern erschwert auch den Zugang zur Universität. In den 1960er-Jahren bewarb sich die Mehrheit der Studierenden nur bei einer Hochschule – weil sie sicher war, angenommen zu werden. Heute reicht eine Bewerberin im Schnitt 6,6 Bewerbungen ein. Elite-Universitäten erhalten jährlich fast zwei Millionen Bewerbungen – dreimal so viele wie vor zwanzig Jahren.
Dylan, 22 Jahre alt, Student an der New York University, hatte einen exzellenten Highschool-Abschluss mit einem GPA von 4,7. Trotzdem fühlte er sich bescheiden, als er sich bei 20 Hochschulen – darunter Ivy-League-Unis und Stanford – bewarb. „Ich kenne Leute, die sich bei 40 beworben haben“, sagt er. Nur drei oder vier Hochschulen luden ihn ein – ein Rückschlag, der ihn demotivierte. „Ich habe gelernt: Nicht die Qualifikation zählt – sondern der richtige Zeitpunkt.“
Psychologe Barry Schwartz, Autor von The Paradox of Choice, sagt: Zu viele Optionen führen oft zu Enttäuschung. So wie beim Dating ist auch die Gleichgültigkeit der Gen Z gegenüber Studienabsagen ein Schutzmechanismus. „Wenn man etwas von Anfang an als unwichtig einstuft, tut die Ablehnung weniger weh“, meint er.
Noch härter ist die Realität auf dem Arbeitsmarkt. Über Plattformen wie LinkedIn oder Workday bewirbt sich die Gen Z täglich auf Dutzende Jobs – mehr, als Boomers in ihrer ganzen Karriere erlebt haben. Laut der Recruiting-Software Greenhouse gingen im Februar 2025 im Schnitt 244 Bewerbungen auf eine Stelle ein – ein Anstieg von 93 im Jahr 2019. Das bedeutet: Auf eine Zusage kommen 243 Absagen oder gar keine Antwort.
Viele junge Menschen berichten von „Sammlungen“ mit Hunderten Bewerbungen. Christopher, 24 Jahre alt, schickte 400 Bewerbungen im Finanzbereich und 200 im Verkauf – bevor er einen Job fand, der nicht seinen Erwartungen entsprach. Freund*innen mit einem Abschluss in Informatik bewarben sich teilweise auf tausende Stellen.
Catherine, die 2024 ihr Studium am Barnard College abschloss, bewarb sich auf 300 Jobs, erhielt 20 Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Sie bereitete sich auf jede Bewerbung sorgfältig vor – knüpfte Kontakte, suchte Empfehlungen, optimierte ihren Lebenslauf. Doch nach Tests, Interviews und monatelangem Warten kam oft nur Schweigen. „Ich habe gelernt, nicht zu viel zu hoffen oder mich zu sehr anzustrengen“, sagt sie.
Für viele aus der Gen Z ist die Jobsuche nicht nur ein Kampf – sondern eine Identitätskrise. Dean, ein Finanzabsolvent, erzählt: „Ich erinnere mich, wie ich hunderte Bewerbungen schrieb und dachte: Ich brauche keinen Traumjob – ich will einfach überleben. Ich habe keine Angst vor dem Scheitern – ich habe Angst, abgehängt zu werden.“ Dennoch finden manche auch neue Motivation: Einige starten eigene Projekte, arbeiten freiberuflich, gehen ins Ausland oder gründen ein Business. Während der traditionelle Arbeitsmarkt wackelt, schafft die Kreativwirtschaft neue Chancen.